Der Lehrkräftemangel in den sächsischen Schulen ist enorm. Die Wartezeiten für Handwerksleistungen steigen. Gaststätten verkürzen ihre Öffnungszeiten, auf Pflegestationen herrscht Personalnotstand und Industriebetriebe finden selbst für bestbezahlte Jobs oft keine Bewerberinnen und Bewerber. Die Ursache: der demografisch bedingte Fach- und Arbeitskräftemangel in Deutschland, der Mangel an Beschäftigten in Sachsen.
2,3 Millionen Sächsinnen und Sachsen sind derzeit im erwerbsfähigen Alter. Blicken wir auf die Prognosen für 2040, sprechen wir dann nur noch von rund zwei Millionen Menschen. Das sind über 200.000 Menschen weniger, die für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werden. Betroffen ist davon vor allem der ländliche Raum. Uns wird in Sachsen also die Arbeit nicht ausgehen, wohl aber die Arbeitskräfte. Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften ist eine der wichtigsten Herausforderungen für Sachsen in den nächsten Jahren.
Die gute Nachricht dabei ist: Diese Prognosen beschreiben zwar eine mögliche Zukunft – und wenn sich nichts ändert, sogar eine wahrscheinliche. Doch die Zukunft ist gestaltbar. Maßnahmen und Entscheidungen der Gegenwart können sie beeinflussen, im besten Fall positiv. Für den Arbeitsmarkt der Zukunft ist es entscheidend, welche Weichen heute gestellt werden. Die Ursachen für den Mangel an Fach- und Arbeitskräften sind vielfältig und liegen zum Teil lang zurück. Ebenso vielfältig und langfristig orientiert müssen die Maßnahmen sein, die es zu ergreifen gilt. Für eine starke Gesellschaft, für eine moderne Infrastruktur und Daseinsvorsorge sowie den Industriestandort der Zukunft braucht Sachsen Arbeits- und Fachkräfte. Daran arbeitet die SPD Sachsen.
Wir haben in den letzten Jahren mit dem SPD-geführten Arbeitsministerium viel vorangetrieben, um dem Mangel an Fach- und Arbeitskräften zu begegnen. Diesen Weg wollen wir als SPD fortsetzen und weitere politische Schritte in Sachsen initiieren. Der völlig falsche Weg: mehr Arbeiten, Teilzeit beschneiden, das Streikrecht einschränken oder die Erhöhung des Rentenalters. Das wird es mit der SPD in Regierungsverantwortung nicht geben.
Um dem Mangel an Arbeits- und Fachkräften zu begegnen, braucht es Respekt für die Beschäftigten durch gute Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ein starkes Bildungssystem und das aktive Anwerben von Arbeitskräften aus dem In- und Ausland. Zugleich müssen wir innovative Wege gehen, um mit weniger Arbeitskräften auszukommen. Wir sind stolz auf die Innovationen aus Sachsen. Und wir sind sicher, dass es im Land der Ingenieurinnen und Ingenieure gelingt, den Mangel als Motor für Innovation, Produktivität und Wachstum zu nutzen. Dafür müssen wir jetzt ins Machen kommen, wir gestalten den Wandel machbar und gerecht.
Was wir dafür machen werden:
Was knapp ist, ist kostbar. Diese einfache Grundregel gilt auch für Arbeitskraft. In Zeiten des Arbeitskräftemangels ist daher nicht mehr nur die Sozialdemokratie, zu deren moralischem Erbgut die Wertschätzung von Arbeit zählt, der Motor für faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen. Solche Maßnahmen liegen nun auch im Interesse der Arbeitgeber:innen. Die Einsicht reift, die Löhne steigen. Das haben sich die Beschäftigten selbst erkämpft. Sie streiten und streiken immer selbstbewusster für faire Löhne, mehr Urlaub, Wertschätzung und mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten in ihren Betrieben. Respekt für die Beschäftigten war schon immer eine Frage des Anstands. Und in Zukunft entscheidet der Respekt auch darüber, ob man eine Stelle überhaupt noch besetzen kann.
Ein sicheres und gut bezahltes Beschäftigungsverhältnis, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten sowie Mitbestimmung und Arbeitsschutz sind nötig, um Beschäftigte zu bekommen und vor allem zu halten. Die SPD steht an der Seite der Beschäftigten und Gewerkschaften, wenn es um ihren Kampf für Gute Arbeit geht – egal ob vor dem Werkstor oder in den Parlamenten. Das bedeutet für uns auch, dass wir aktiv an der Stärkung der Sozialpartnerschaft in Sachsen mitarbeiten. Sachsen muss Tarifland werden! Auch um Menschen zurückzugewinnen, die in den letzten Jahren Sachsen aufgrund der Arbeitsverhältnisse verlassen haben.
Um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen, wollen wir Berufsleben und Familie noch besser vereinbar machen. Auch wenn die Erwerbsquote von Frauen in Sachsen traditionell recht hoch ist: Jede zweite erwerbstätige Sächsin arbeitet in Teilzeit, denn Frauen schultern nach wie vor den größten Teil der familiären Arbeit. Um Familien und alleinerziehende Eltern stärker im Arbeitsleben zu unterstützen, braucht es wohnortnahe Kinderbetreuung, mehr Ganztagsschulen und bezahlbare Pflegeangebote. Wichtig ist auch, die kostbare Zeit der Erwerbstätigen zu schonen: durch einen guten ÖPNV, durch kurze Wege zu öffentlichen Einrichtungen, viele digitale Angebote und die Option auf Homeoffice, wo immer es möglich ist. Insbesondere für körperlich schwere Berufe und Jobs mit Schichtarbeit wollen wir auch in Sachsen die anderswo erfolgreich erprobten Modelle einer Vier-Tage-Woche möglich machen, denn sie gewährleisten Familienzeit und haben sich gleichzeitig als produktivitätssteigernd erwiesen.
Der Umbau der Wirtschaft zu Klimaneutralität und Nachhaltigkeit braucht gut ausgebildete Beschäftigte, die den technologischen Wandel tragen und Innovationen umsetzen. Deshalb ist die Bildung der Menschen ein Schlüsselfaktor für die Zukunft unseres Landes. Ein gutes, inklusives und leistungsfähiges Bildungssystem ist eine wesentliche Voraussetzung für den künftigen Arbeitsmarkt. Die Welt rund um Industrie und Handwerk, Handel, Sozialwirtschaft und Dienstleistungen hat sich in den letzten Jahrzehnten gravierend gewandelt. Unser Bildungssystem muss darauf reagieren und neue Rezepte für gelingende Bildungswege umsetzen. Auf dem Arbeitsmarkt brauchen wir Jede und Jeden, alle Fähigkeiten und Talente finden ihren Platz und niemand darf verloren gehen. Deshalb setzen wir uns für eine bestmögliche frühkindliche und schulische Bildung ein.
Wir wollen mehr praktisches Lernen in die Schulen holen und alle jungen Menschen zum Abschluss führen. Wir brauchen Meister und Master, dafür setzt die Schule der Zukunft auf längeres gemeinsames Lernen. Durch den Verzicht auf eine Bildungsempfehlung werden Brüche in jungen Jahren vermieden. Kinder und Jugendliche lernen entsprechend ihren Neigungen und Fähigkeiten und erwerben einen Schulabschluss. Damit dies flächendeckend gelingt, bauen wir Hürden ab und ermöglichen die Einrichtung von dreizügigen Gemeinschaftsschulen.
Um Innovationen zu fördern, ist die Gleichberechtigung von beruflicher und akademischer Ausbildung entscheidend. Gerade vor dem Hintergrund des lebenslangen Lernens wollen wir für noch mehr Durchlässigkeit zwischen beiden Systemen sorgen. So ist Berufsorientierung nicht nur eine Aufgabe der sächsischen Oberschulen, vielmehr benötigen auch Gemeinschaftsschulen und Gymnasien Praxisberater:innen. Ein stabiles Berufsschulnetz, neue Wege bei der Gewinnung und Qualifizierung von Berufsschullehrkräften und weitere Modernisierungsmaßnahmen der Berufsschulzentren sichern auch in Zukunft die berufliche Bildung ab. Mit der Förderung von Berufsorientierungspraktika, Mindestausbildungsvergütung und Ausbildungsgarantie wird allen jungen Menschen der Weg in den Beruf geebnet. Im nächsten Schritt führen wir einen umlagefinanzierten Ausbildungsfonds ein. Mithilfe dessen wird die Ausbildung in kleinen Betrieben gestärkt sowie die Verbundausbildung und außerbetriebliche Ausbildung mitfinanziert. Zudem setzen wir uns für eine Reform des Aufstiegs-Bafög ein – höhere Fördersätze und die Öffnung für Teilzeitfortbildungen sind unser Ziel, damit die Techniker:innen, Fachwirt:innen und Meister:innen von morgen unterstützt werden.
In Zeiten des Wandels gewinnen Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten der Beschäftigten immer mehr an Bedeutung. Wir beteiligen uns daher am Bündnis „5 Tage Bildungszeit für Sachsen” und unterstützen den Volksantrag für ein Bildungsfreistellungsgesetz. Mit einem Rechtsanspruch auf bezahlte Freistellung an fünf Arbeitstagen pro Jahr werden berufliche, politische, allgemeine und kulturelle Weiterbildung sowie die Qualifizierung im Ehrenamt unterstützt. Wir fordern die Unternehmen dazu auf, Qualifizierung nicht nur möglich zu machen, sondern auch aktiv zu fördern. Viele Beschäftigte sind bereit, sich weiter zu qualifizieren, sie müssen darin unterstützt werden.
Wir wollen Unternehmen und Fachkräfte aus Deutschland und der ganzen Welt davon überzeugen, bei uns ein neues Zuhause zu finden. Sachsen braucht Arbeitskräfte aus dem Ausland. Dafür müssen wir die Voraussetzungen und Zugangsmöglichkeiten schaffen, damit Menschen herkommen, Teil der Gemeinschaft werden und bei uns bleiben wollen. Dazu gehört eine Politik, die deutlich macht: Sachsen ist ein Einwanderungsland und steht klar gegen Rassismus und jede Form von Diskriminierung. Wir brauchen eine Willkommenskultur für die Menschen, die bei uns wohnen und arbeiten wollen. Der Weg in den deutschen Arbeitsmarkt ist nicht einfach, das muss sich ändern. Wir wollen alle Chancen des neuen Zuwanderungsrechts nutzen und qualifiziertes Personal aus anderen Ländern anwerben.
Ausländische Bildungsabschlüsse sollen schneller anerkannt und der Familiennachzug für erwerbstätige Personen erleichtert werden. Geflüchtete Menschen sollen sich schnell in den Arbeitsmarkt integrieren können und so die Möglichkeit erhalten, sich eine Bleibeperspektive abseits ihres Aufenthaltsstatus zu erarbeiten. Gerade junge geflüchtete Menschen ohne Bildungsabschluss werden wir so schnell wie möglich in Schul- oder Ausbildung bringen, um ihre Integration zu befördern und ihnen eine Perspektive zu bieten.
Die sächsischen Ausländerbehörden müssen endlich Willkommensbehörden werden, die schnell entscheiden, Wege in den Arbeitsmarkt bahnen und Unternehmen so bei der Gewinnung von Personal unterstützen. Zudem werden wir die Rolle des Zentrums für Fachkräftesicherung Sachsen (ZEFAS) für die Gewinnung von Fachkräften aus dem In- und Ausland stärken. Und unsere sächsischen Hochschulen werden wir bei der Umsetzung ihrer Internationalisierungsstrategien unterstützen, damit ausländische Studierende, Nachwuchswissenschaftler:innen und Spitzenforscher:innen gewonnen werden.
Unsere Vorschläge werden nicht dazu führen, den Mangel an Beschäftigten in Gänze zu beheben. Es muss jetzt daher auch darum gehen, neue und innovative Wege zu gehen, um mit weniger Arbeitskräften umzugehen. „Not macht erfinderisch“ heißt es. Der Arbeitskräftemangel wird dazu beitragen, dass sich Wandlungsprozesse beschleunigen. Automatisierung, künstliche Intelligenz und Robotisierung sind ein Schlüssel dafür, um Arbeitskräfte zu entlasten. Um Betriebe hier erfolgreich aufzustellen, braucht es ein Hand in Hand von Arbeitgeber:innen und Beschäftigten. Die Betriebs- und Personalrät:innen sind hierbei zentrale Akteur:innen. Zugleich werden wir auch die Spitzenforschung weiter ausbauen und den Transfer zwischen Hochschulen und Unternehmen stärken, damit neue Technologien schnell Marktreife erlangen, soziale Innovationen entstehen und Vorsprünge gesichert werden können. Ganz oben auf der To-
Do-Liste von Sachsen: die Unterstützung und Beratung von kleinen Unternehmen beim Transformationsprozess und die Förderung von zukunftsträchtigen Schlüsseltechnologien. Gerade das Handwerk und der sächsische Mittelstand sind auf Innovationen angewiesen, um auch in Zukunft bestehen zu können. Die staatliche Förderung muss daher genau hier ansetzen, ergänzt durch die Unterstützung der Forschung im Bereich Digitalisierung und Automatisierung. Innovationsprozesse braucht es jedoch nicht nur für oder in den Unternehmen, sondern auch bei der öffentlichen Daseinsvorsorge. Der Bereich soll künftig Vorreiter bei der Nutzung von Innovationen werden.
Eine aktive Arbeitsmarkt‑, Wirtschafts- und Bildungspolitik kostet Geld. Sie muss Innovationen unterstützen, Investitionen ermöglichen und Infrastruktur bereitstellen. Das Rezept gegen den Mangel an Fach- und Arbeitskräften gibt es nicht umsonst. Generationengerechte Politik ist daher mehr als die schwarze Null. An der Schuldenbremse krampfhaft festzuhalten und dabei die Zukunft Sachsens aufs Spiel zu setzen, ist fahrlässig. Deshalb wollen wir die Schwarze Null ad acta legen und die Schuldenbremse kurzfristig reformieren. Ein ideologisches Festhalten an der jetzigen, sächsischen Schuldenbremse lehnen wir in jedem Fall ab. Auf Bundesebene setzen wir uns für eine Abschaffung der setzen, ist fahrlässig. Deshalb wollen wir die Schwarze Null ad acta legen und die Schuldenbremse kurzfristig reformieren. Ein ideologisches Festhalten an der jetzigen sächsischen Schuldenbremse lehnen wir in jedem Fall ab. Eine parteiübergreifende Kommission von Bund, Ländern und Kommunen muss zügig einen Vorschlag erarbeiten, der nicht an der Ideologie der Vergangenheit klebt, sondern den Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft gerecht wird. Generationengerechtigkeit bedeutet Investitionen in die Zukunft:
für gute Schulen, eine starke Infrastruktur, ein soziales Miteinander, einen leistungsfähigen ÖPNV und schnelles Internet. Sachsen braucht ein modernes Gesicht, damit Arbeitskräfte gut und gerne in Sachsen leben wollen. Mit dem „Sachsenfonds 2050” wollen wir daher mindestens 4 Milliarden Euro in den kommenden 10 Jahren in die Zukunft Sachsens investieren. Weil wir das können, hier in Sachsen.